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Eltville am Rhein, Steinbergkeller - Kloster Eberbach
06 December 2010

Eltville am Rhein, Steinbergkeller - Kloster Eberbach

Wein und Architektur: Was lange Zeit eher als ein Gegensatz verstanden wurde, jetzt ist es vielerorts ein Thema. Ein besonders herausragendes Beispiel hierfür ist der Neubau des „Kellereigebäudes am Steinberg“ in Eltville im Rheingau – ausgezeichnet mit dem Architekturpreis Wein 2010.

Mit moderner Architektur will Deutschlands größter Weinbaubetrieb, Kloster Eberbach, das traditionsreiche Weingut in die Neuzeit führen. Entstanden ist ein architektonisch faszinierendes Kellereigebäude, das sich perfekt in die Landschaft schmiegt und auch mit seiner Sichtbetonoptik in höchster Qualität aus Dyckerhoff Beton mit CEM III/A 42,5 N überzeugt.

Behutsamer Umgang mit Landschaft und Bausubstanz

Die hessischen Staatsweingüter sind mit über 200 Hektar Rebfläche nicht nur das größte Weingut Deutschlands. Sie zählen daneben auch zu den ältesten Weinbaubetrieben. Denn der his- torische Kern des Weinguts ist das Kloster Eberbach, eine ehemalige Zisterzienserabtei, die der Hl. Bernard von Clairvaux im Jahre 1136 durch Ordensbrüder gründen ließ. Besonders bekannt und seit dem 12. Jahrhundert belegt sind die Weinberge der Lage „Steinberg“ in unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters. Vor diesem historischen Hintergrund galt es, den für die Weiterentwicklung und die Konzentration der Weinproduktion an diesem Standort nötigen Raum angemessen zu realisieren. Das bestehende Weingut sollte also nicht nur zeitgemäß umgebaut, sondern so erweitert werden, dass dort künftig auch besonders wirtschaftlich gearbeitet werden kann.
Das Ursprungsweingut lag direkt neben einem etwa 300 Hektar großen, alten, komplett mit einer Mauer eingefassten Weinberg, dem Steinberg. Entscheidend für den Um- und Neubau war die Vorgabe, weder das Rheingauer Landschaftsbild, noch die zum Teil unter Denkmalschutz stehenden Bestandsbauten des Staatsweingutes und schon gar nicht die Umgebung des nahe gelegenen Klosters Eberbach zu beinträchtigen. Eine Aufgabe, die sowohl von Seiten des Bauherrn, als auch des Planers viel Fingerspitzengefühl erforderten. Daher wurde die bereits vorhandene Bebauung lediglich ersetzt, in ihrer Anzahl sogar reduziert.

Tiefgestapelt: Komplett unterirdische Kellerei

Produktion, Präsentation und Verkauf wurden zusammengefasst und bleiben trotz der großen Volumina zurückhaltend. Entscheidend für die notwendige öffentliche Akzeptanz war jedoch, dass die neue Kellerei zu rund drei Viertel unterirdisch realisiert wurde. Dies bedeutet, dass das Weingut über zwei Stockwerke rund 14 Meter tief in den Hang versenkt und anschließend wieder mit Erde überdeckt wurde. Am oberen Ende des inzwischen wieder angelegten Wingerts erhebt sich nun ein Natursteinsockel. Vier große Fensteröffnungen stellen Bezüge zwischen drinnen und draußen her. Im sichtbaren, oberirdischen Teil, einem lichten und luftigen Längsbau aus Sichtbeton durchbrochen von Glas und Stahl, der den alten Hof zur Ebene hin abschließt, befinden sich die Traubenanlieferung, der Empfang und Verkauf sowie die Tagungsräume. Die neu entstandenen Gebäudeteile präsentieren sich durchweg puristisch-bescheiden und damit dem Ort angemessen

Die große Glasfront des Besucherzentrums sowie eine große Panoramaterrasse öffnen den Blick über den Rhein und nutzen so gekonnt die exponierte Lage des Gebäudes. Die frühere Rebveredelungshalle und die alte Schmiede blieben neben der neuen Kellerei erhalten und wurden umgewidmet. Sie stehen jetzt frei und nicht mehr eingeengt zwischen alten Hallen, so dass die historische Bausubstanz besser zur Geltung kommt. Die neuen Gebäude ordnen sich diesen historischen Gebäuden unter, und nicht umgekehrt. So stellt beispielsweise die Aufnahme von Bruchsteinen an der Südfassade den Bezug zur historischen Weinbergsmauer her.

Der unterirdische Teil des Neubaus, in dem sich der gesamte Kellereitrakt mit Pressen, Edelstahltanks (mit Platz für fast zwei Millionen Liter Wein), Holzfässern und Flaschenabfüllung (1,6 Millionen Flaschen pro Jahr) und Lager befindet, erhält Tageslicht über Schächte, die sich in den neu angelegten Weinberg einfügen. Vor allem der tiefe, als Lichtfuge bezeichnete Belichtungseinschnitt, der das Tageslicht auch noch in das unterste Kellergeschoss führt, dramatisiert das Eintauchen in den Berg. All dies hat die Jury, bestehend aus Vertretern des Deutschen Weinbauverbandes, der Architektenkammer Rheinland-Pfalz und des Weinbauministeriums Rheinland-Pfalz, bewogen, dem Neustadter Architekturbüro Friess und Moster für seine Version eines modernen Kellereigebäudes anlässlich der Stuttgarter Weinmesse „Intervitis interfructa“ den „Architekturpreis Wein 2010“ zu verleihen. Denn, so Stefan Musil, Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz anlässlich der Preisverleihung: „Weinkultur braucht Baukultur“.

Sichtbeton-Team sichert höchste Sichtbetonqualität

Zur Umsetzung der klaren Formensprache kam neben Naturstein, Glas und Holz vor allem der Baustoff Beton zum Einsatz. So besteht beispielsweise die Bodenplatte aus einem Beton C30/37 mit hohem Wassereindringwiderstand, der in weicher Konsistenz F3 eingebaut wurde und den Expositionsklassen XC4 (WU), XD1, XF1 und XA1 entspricht. Sowohl im oberirdischen, als auch im unterirdischen Teil ist es aber Sichtbeton, also Beton in seiner schönsten Form, der die Optik des Kellereigebäudes bestimmt. Es kam dabei ein Sichtbeton der Qualitäten SB 2 und SB 3 nach dem neuen DBV-Merkblatt zum Einsatz. Um ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen, legte man ganz besondere Sorgfalt auf die Qualität dieses Sichtbetons. Dazu wurde bereits im Vorfeld der Arbeiten ein „Sichtbeton-Team“ aus Vertretern der Bauherrenschaft, der Bauunternehmung Wolff & Müller und der Dyckerhoff AG als Betonlieferant installiert. Über alle Bauphasen, d.h. von der Rezepturentwicklung über den Betoniervorgang bis zur Ausschalung und Nachbehandlung hat sich dieses Team „hautnah“ um die Sichtbetonqualität gekümmert.

Schnell zeigte sich, dass insbesondere der Abstimmung der Betonrezeptur, der Schalung und Schalmittel sowie der Beteiligten am Einbau eine besondere Bedeutung zukommt. Ein glücklicher Umstand war zudem, dass die Fa. Wolff & Müller einem sehr erfahrenen und engagierten Polier die Verantwortung für die Umsetzung übertrug. Erstmals kamen unter Einbeziehung von Sichtbeton-Experten, wie Prof. Lohaus und seinem Team von der Universität Hannover, Prüfschalungen für Sichtbeton zum Einsatz. Mit Hilfe des Schalungslieferanten PERI konnten in relativ kurzer Zeit die benötigten Prüfschalungen bereitgestellt werden. Mit ihrer Hilfe ließen sich bereits im Betonlabor Originalmaterialen, wie Schalhaut, Schalöle oder Abstandshalter im verkleinerten Maßstab einsetzen und verschiedene Vorversuche mit unterschiedlichen Betonrezepturen durchführen. Dabei konnten auch die später auf der Baustelle erwarteten Witterungsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchte usw.) labormäßig simuliert werden. Nach dem Ausschalen ließ sich dann optisch bewerten, ob die verwendete Betonrezeptur die an sie gestellten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt. Falls nicht, wurden so lange entsprechende Korrekturen an den Einsatzstoffen vorgenommen, bis das Ergebnis in der Sichtbeton-Musterschalung den Vorgaben entsprach. Dank dieser Maßnahmen konnte sichergestellt werden, dass neben der konstruktiv erforderlichen Betongüte auch die ästhetische und gestalterische Qualität des Sichtbetons nach den Vorgaben des Planers zielsicher erreicht wurden.

Großformatige Betonwerksteinplatten schaffen repräsentative Freiräume

Bei der Gestaltung der Freiflächen bestand die Aufgabe für die Landschaftsarchitekten unter anderem darin, die unterschiedlichen Freiräume und ihre Funktionen mit den Gebäuden zu verknüpfen und in das übergeordnete gestalterische Konzept einzubinden. Neben hochfunktionalen Flächen, die den Belastungen und Arbeitsabläufen des größten deutschen Weingutes gerecht werden, galt es auch, besonders repräsentativ akzentuierte Freiräume zu schaffen, die vor allem von Besuchern und Kunden der Hessischen Staatsweingüter genutzt werden. Dazu zählen insbesondere die großzügigen Terrassenflächen und Sitzplätze, die einen herrlichen Panoramablick auf den Rhein bieten.

Als Material für den Besucherbereich wählte man hochwertige Betonwerksteinplatten und Treppen- sowie Sitzstufen aus dem Hause Rinn – hergestellt auf Basis von Dyckerhoff Weisszement. Bei den auf einer Fläche von rund 1.300 m² verlegten Platten handelt es sich um Magnum-Platten im Format 120 x 60 cm bzw. 90 x 60 cm. Die Platten wurden für die hochbelasteten Flächen in einer Dicke von 18 cm und für die Nebenflächen von 12 cm hergestellt. Die 150 Block- und 27 Sitzstufen sind Maßanfertigungen, die nach den Plänen der Landschaftsarchitekten und nach Auf- trag durch den Einbaubetrieb individuell hergestellt wurden. Bei der Fertigung im Werk wurden dabei auch bereits die bauseits gestellten Einbauleuchten in einen Teil der Stufen eingearbeitet. Die Oberflächen der Platten und Stufen wurden unter der Verwendung von Edelsplitt aus Naturstein „stahlkugelgestrahlt“. Das Produkt wird mit dem Begriff „rinnit Granit“ bezeichnet. Verlegt bzw. eingebaut wurden die Materialien mittels Vakuumtechnik durch die Firma Kress Gartengestaltung aus Rüdesheim.